Wer in Deutschland herrenlose Katzen vor dem Verhungern retten möchte, sollte starke Nerven haben und sich bedeckt halten. Ein Ehepaar berichtet unserer Autorin anonym von seinen Erfahrungen aus 25 Jahren Tierschutz.
Immer wenn es Nacht wird, wartet auf Herlinde (82) und Günther (80) (Namen von der Redaktion geändert) eine besondere Aufgabe. Seit mehr als 25 Jahren füttert das Ehepaar freilebende Katzen, von denen die meisten ohne ihre Hilfe wohl nicht überlebt hätten.
Nacht für Nacht geht es los, pünktlich um 23.45 Uhr. Auf den verlassenen Firmengeländen und verwucherten Schotterplätzen der mittelgroßen Stadt im Ruhrgebiet warten viele ihrer Schützlinge dann schon auf die beiden:
„Die Tiere wissen genau Bescheid wann wir kommen, die sind ja schlau, prägen sich das gut ein. Manche der Katzen sind auch zutraulich und streifen uns zur Begrüßung um die Beine.“
Auch Streuner scheinen durchaus wählerisch zu sein, wenn es um ihr Futter geht: Auf ihren Touren haben Herlinde und Günther darum fast immer mehrere Sorten Katzenfutter im Gepäck. Was Katzenliebhaber freut, ist anderen ein Dorn im Auge. Für ihre Tierliebe mussten die beiden Senioren schon einiges an derber Kritik bis hin zu handfesten Bedrohungen einstecken:
„Es gibt hier leider viele Katzenhasser, die überhaupt kein Verständnis dafür haben, was wir machen. Wir wurden auch schon offen auf der Straße angefeindet und von Leuten verfolgt. Also ich sage mal so, man muss schon ein dickes Fell haben und man darf sich auch nicht so leicht einschüchtern lassen.“
Auch die Polizei habe sich schon für sie interessiert, doch bis auf die Feststellung der Personalien habe es keine weiteren Konsequenzen gegeben.
Wollte ein Tierhasser den Katzenfreunden eine Lektion erteilen?
Im Oktober 2013 drangen Unbekannte nachts in die Wohnung des Ehepaars ein, während beide draußen auf Tour waren. Entwendet wurde bei dem Einbruch nichts, doch bei der Rückkehr bot sich den Tierfreunden ein heilloses Chaos. Die Täter hatten sämtliche Schränke durchwühlt, Kleidungsstücke, Unterlagen und persönliche Gegenständen in allen Räumen auf dem Boden verteilt:
„Es ist nie ermittelt worden, wer der oder die Täter waren. Weil alles verwüstet und definitiv nichts gestohlen wurde gehen wir davon aus, dass uns ein Tierhasser, der uns persönlich kennt, auf diese Weise eine Lektion erteilen wollte. Leider wurden die Ermittlungen 2016 ohne Ergebnis eingestellt.“
Alle Fenster und Türen sind seit dem Vorfall mit Alarmanlagen gesichert, doch vor allem Herlinde hatte noch einige Zeit danach an der Angelegenheit zu knabbern. Günther ging eine Weile alleine auf Tour, doch inzwischen sind die beiden wieder im Team unterwegs.
Gefüttert wird aktuell an insgesamt sechs Stellen, verteilt im gesamten Stadtgebiet. Dort finden sich immer zwischen drei und acht Katzen ein. Wenn ein Neuankömmling darunter ist, kennt der Rentner kein Erbarmen:
„Für solche Fälle habe ich im Kofferraum immer eine Lebendfalle dabei. Wenn sich herausstellt, dass die neue Katze noch unkastriert ist, dann lassen wir das beim Tierarzt machen und setzen sie dann wieder aus.“
Eine Vermittlung der Tiere hält der Katzenfreund für schwierig: Die meisten seien so sehr an ihr Leben in Freiheit gewöhnt, dass sie sich nicht mehr für eine Haltung in der Wohnung umerziehen ließen. Doch die jahrelange Arbeit der beiden zeigt offenbar Erfolg:
„Früher hatten wir hier deutlich mehr Katzen zu füttern, ich würde sagen, es waren bestimmt an die 50. Zur Zeit treffen wir nur noch höchstens 20 Katzen.“
Mit 80 und 82 Jahren gibt es vermutlich schöneres, als sich die Nächte um die Ohren zu schlagen. Denken Herlinde und Günther manchmal ans Aufhören?
„Darüber nachgedacht haben wir, aber dann müssten wir einen Nachfolger finden. Das ist nicht so leicht, also machen wir weiter. Die Katzen brauchen uns ja.“
Fotografin und Autorin / Spezialgebiet: Leben mit Katzen / nordd. Frohnatur (Moin statt Servus!) / Lieblingsort: Möglichst nah am Meer. Lebt mit ihrer Maine-Coon-Katze Emily in Pinneberg bei Hamburg.
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