Das Haustier ist verletzt oder akut erkrankt, doch weit und breit ist kein tierärztlicher Notdienst erreichbar. Was wie eine grauenhafte Vorstellung klingt, wird für viele Tierhalter zunehmend Realität.
Die Berufsordnung für Heilberufe verpflichtet Tierarztpraxen in Deutschland, einen tierärztlichen Notdienst bereit zu halten – eigentlich, denn mancherorts ist die Aufrechterhaltung nicht mehr möglich. Wie kommt es dazu?
Aufgrund von akutem Personalmangel haben sich seit etwa Mitte 2022 immer mehr Tierarztpraxen aus dem Notdienst zurückgezogen. Das bedeutet, dass immer weniger Praxen immer mehr Notfälle versorgen müssen. Schaffen die Praxen das nicht, sind Tierhalter gezwungen auf die nächste Tierklinik auszuweichen, doch auch das wird jetzt zum Problem.
Die erste Tierklinik ist dem erhöhten Andrang nicht mehr gewachsen und will Notfall-Patienten bald nur noch eingeschränkt aufnehmen.
Situation in Ostdeutschland besonders schlimm
Vor allem in den Bundesländern Sachsen und Sachsen-Anhalt geraten Tierhalter in Schwierigkeiten, wenn sie einen tierärztlichen Notdienst in Anspruch nehmen müssen.
Dramatisch ist die Lage in Sachsen-Anhalt: Hier gibt es stellenweise gar keinen tierärztlichen Notdienst mehr, wie der Vizepräsident der Landestierärztekammer, Falk Salchert, bekannt gibt. Tierhaltern rät er sich darauf einzustellen, mit ihrem kranken Haustier im Notfall in eine Tierklink in den umliegenden Bundesländern Sachsen oder Niedersachsen zu fahren.
Doch auch dort sieht die Lage nicht viel besser aus. So ist die Uni-Klinik in Leipzig die letzte verbliebene Tierklinik in Sachsen mit einer 24-stündigen tierärztlichen Maximalversorgung, doch damit ist bald Schluss: Ab dem 1. Februar werden nur noch unter der Woche von 7.30 Uhr bis 15 Uhr Patienten angenommen – ihren Notdienst am Wochenende stellt die Klinik komplett ein.
Auch Tierkliniken in NRW geraten an ihre Grenzen
In den Metropolregionen in Nordrheinwestfalen kommen Tierkliniken ebenfalls an ihre Grenzen. Bereits Anfang Januar hat sich der Klinikleiter von AniCura in Recklinghausen darum mit einem Appell an die Bevölkerung gewandt:
„Wir können in der Notfallambulanz Spezialuntersuchungen nur noch für akute Notfallpatienten durchführen, deren Gesundheitszustand keinen längeren Aufschub zulässt.“
Die Aufgabe des Notdienstes einer benachbarten Tierklinik in Ahlen werde der Einrichtung in Recklinghausen zunehmend zum Verhängnis, heißt es. Die nächste Tierklinik befindet sich in der Stadt Unna – auch dort sollen die Kapazitäten am Limit sein.
Kein tierärztlichen Notdienst: Müssen Praxen bald Bußgelder zahlen?
Das größte Problem bei der Aufrechterhaltung der Versorgung ist der akute Mangel an Tierärztinnen und Tierärzten in Deutschland. Die Präsidentin der Landestierärztekammer in Hessen will durch eine bessere Bezahlung und eine verstärkte Work-Life-Balance künftig mehr Veterinärmediziner dazu motivieren, in ihrem Job zu bleiben.
Viele frisch ausgebildete Tierärztinnen und Tierärzte würden erst nach dem Studium mit der harten Realität in den Praxen konfrontiert werden und sich dann frühzeitig aus dem Job wieder verabschieden. In Sachsen will Susanne Schaper, Vorsitzende der Partei Die Linke, Abiturienten den Zugang zum Tiermedizin-Studium erleichtern.
Im Bundesland Nordrhein-Westfalen wird überlegt, Tierarztpraxen zum tierärztlichen Notdienst zu verpflichten. Schon jetzt gebe es die Möglichkeit, Bußgelder zu verhängen wenn einzelne Praxen sich dem Tiernotdienst-System verweigern, doch in der Realität passiert das selten.
Wie ist die Situation bei Euch: Hattet ihr schon Probleme, den tierärztlichen Notdienst zu erreichen?
Tierschutzaktivistin und Redakteurin, Spezialgebiet: Katzen in Not. Fühlt sich ohne Katzenhaare nicht richtig angezogen. Lebt mit ihren beiden Kindern auf einem Bauernhof Nahe Berlin.
Nadine schreiben: redaktion (ät) cat-news.net