Ein Tier kann nur eingeschläfert werden, wenn der Halter zustimmt? Leider handelt es sich bei dieser weit verbreiteten Annahme um einen Trugschluss. Denn ist das Wohl des Tieres aus Sicht eines Tierarztes in Gefahr, kann er dessen Einschläferung anordnen. Für Halter von Katzen mit Behinderung kann das gefährlich werden. Ein aktueller Fall aus der Nähe von Nürnberg macht sprachlos.
Kater Fellini kam vor rund drei Jahren als eines von sieben Kätzchen zur Welt. Alles, was ihn von seinen sechs Geschwistern unterscheidet, ist eine Lähmung der hinteren Gliedmaßen. Der Kater muss darum Zeit seines Lebens Windeln tragen.
Damals prognostizierten die Tierärzte noch, dass der behinderte Kater wohl sein erstes Lebensjahr nicht überstehen werde. Doch Fellini wollte leben:
„Trotz seiner Behinderung nimmt mein Kater aktiv am Leben teil. Er äußert keine Schmerzen, rennt den ganzen Tag durch die Wohnung und spielt mit seinen Geschwistern. Er kann sich verständigen und macht alles, was auch andere Katzen tun.“
Christiane Köhler ist das Frauchen von Fellini. Sie arbeitet bei der Lebenshilfe in Nürnberg und kümmert sich beruflich um behinderte Menschen. Dass auch ihr Kater eine Behinderung hat, war deshalb niemals ein Problem für sie – Bis zu diesem einen Tag, der ihr Vertrauen in Tierärzte schwer erschütterte:
„Die Tierärztin, zu der ich normalerweise gehe, hatte kurzfristig keinen Termin frei. Also bin ich mit Fellini zu Frau Dr. J. gegangen. Sie hat ihm Augentropfen gegeben, weil er eine Entzündung am Auge hatte, dann sind wir wieder nach Hause gefahren. Ich fiel aus allen Wolken, als sie am nächsten Tag anrief und plötzlich der Meinung war, Fellini müsste eingeschläfert werden. Sie meinte, dass er keine Lebensqualität hat, weil er in die Pampers macht! Sie hat ihn nur fünf Minuten gesehen und es mir nicht mal ins Gesicht gesagt, sondern am Telefon!“
Weil Christiane Köhler zu verstehen gab, dass sie ihren Kater nicht einfach so einschläfern lassen werde, erstattete die Tierärztin am Tag darauf Anzeige beim Veterinäramt. Begründung: Verstoß gegen das Tierschutzgesetz!
Nun steht demnächst der Besuch von gleich zwei Amtstierärzten bei der Katzenhalterin an. Sie sollen dann entscheiden, ob Fellini tatsächlich eingeschläfert werden muss.
Wie sehr leidet Kater Fellini – und tut er es überhaupt?
Das Tierschutzgesetz § 17, 2, Absatz b, besagt:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.“
Tierärzte sind in Deutschland darum unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, ein Tier zu erlösen, nämlich wenn es leidet und damit ein „vernünftiger Grund“ vorliegt – auch ohne Zustimmung des Halters. Das Problem daran: Das Tierschutzgesetz definiert nicht, wann genau ein Tier leidet.
Letztlich obliegt es also dem subjektiven Eindruck eines einzelnen Tierarztes zu entscheiden, ob ein konkretes Tier eingeschläfert werden sollte.
Als Christiane Köhler mit der niederschmetternden Botschaft der Tierärztin konfrontiert wurde, wandte sie sich in ihrer Not an diejenige Tierärztin, zu der sie normalerweise mit ihren Katzen geht und die auch den behinderten Kater seit Jahren kennt.
Die Ärztin hat ein gesundheitliches Attest für Fellini erstellt. Aus diesem ist nicht ersichtlich, dass das Tier leidet und aufgrund seiner angeborenen Behinderung so schnell wie möglich erlöst werden müsste. Im Gegenteil:
„Das Verhalten ist aufmerksam, der Pflegezustand sehr gut und der Ernährungszustand gut. (…) Fellini verhält sich hier total artgerecht, läuft munter durchs Behandlungszimmer und erkundet alles. Die Windel scheint ihn keineswegs einzuschränken. Für eine Euthanasie besteht meiner Meinung nach keinerlei Rechtfertigung. Im Gegenteil, ich würde mich selbst bei Besitzerwunsch weigern, diese durchzuführen.“
Von der Tierärztin, die Fellinis Einschläferung durchsetzen will, hat Christiane Köhler eine schriftliche Stellungnahme verlangt, die sie jedoch bis heute nicht erhalten hat. Auch für die Redaktion von Cat-News.net war die betreffende Tierärztin kurzfristig nicht erreichbar.
Online-Petition soll Fellini das Leben retten
Christiane Köhler hat eine Online-Petition erstellt, mit deren Hilfe sie ihren Kater Fellini vor der Einschläferung bewahren will.
Fazit von Cat-News.net: Katzenhalter sollten sich ihren Tierarzt sehr gut aussuchen! Das gilt vor allem für Halter von Tieren mit Behinderung.
Datum: 29.07.2020
Tierschutzaktivistin und Redakteurin, Spezialgebiet: Katzen in Not. Fühlt sich ohne Katzenhaare nicht richtig angezogen. Lebt mit ihren beiden Kindern auf einem Bauernhof Nahe Berlin.
Nadine schreiben: redaktion (ät) cat-news.net